Neues Anwendungsschreiben zum Versorgungsausgleich nach einer Scheidung

A. Allgemeines zum Versorgungsausgleich

Der Versorgungsausgleich wird bei einer ehelichen Scheidung durchgeführt. Ziel des Versorgungsausgleichs ist die gerechte Teilung der in der Ehe erworbenen Rentenanrechte zwischen beiden Ehegatten. Seit der Strukturreform zum 1. September 2009 werden dafür sämtliche während der Ehe erworbenen Anrechte auf eine Versorgung im Alter oder bei Invalidität hälftig geteilt.

Tipp: Der Versorgungsausgleich wirkt sich regelmäßig zugunsten desjenigen Ehegatten aus, der sich keine oder nur eine geringere eigenständige Altersversorgung – beispielsweise wegen der Führung des Haushalts und der Betreuung und Erziehung der Kinder – aufbauen konnte.

Im Versorgungsausgleich werden insbesondere Anrechte aus der gesetzlichen Rentenversicherung, aus anderen Regelsicherungssystemen wie der Beamtenversorgung oder der berufsständischen Versorgung, aus der betrieblichen Altersversorgung und auf eine Rente gerichtete Anrechte aus der privaten Alters- und Invaliditätsvorsorge (z. B. „Riester“- oder „Rürup“-Rente) ausgeglichen. Produkte, die ausschließlich Kapitalleistungen vorsehen (z. B. Kapitallebensversicherung), sind hingegen nicht Gegenstand des Versorgungsausgleichs.

Tipp: Auch bei der Aufhebung einer eingetragenen Lebenspartnerschaft findet ein Versorgungsausgleich statt. Wurde die eingetragene Lebenspartnerschaft bereits vor dem 1. Januar 2005 begründet, wird ein Versorgungsausgleich nur durchgeführt, wenn die verpartnerten Personen bis zum 31. Dezember 2005 eine entsprechende Erklärung abgegeben haben.

B. Ausgleichsleistungen zur Vermeidung eines Versorgungsausgleichs

I. Zivilrechtliche Grundlagen

Die Ehegatten können den Versorgungsausgleich ganz oder teilweise ausschließen. Der Ausschluss kann sowohl den gesetzlichen Versorgungsausgleich (interne und externe Teilung) als auch schuldrechtliche Ausgleichsansprüche (d. h. noch nicht ausgeglichene Anrechte) umfassen.

Die ausgleichsberechtigte Person kann eine zweckgebundene Abfindung für ein noch nicht ausgeglichenes Anrecht (d. h. einen schuldrechtlichen Anspruch) von der ausgleichspflichtigen Person verlangen. Die Abfindung ist an den Versorgungsträger zu zahlen, bei dem ein bestehendes Anrecht ausgebaut oder ein neues Anrecht begründet werden soll.

Tipp. Es kann auch eine Leistung unmittelbar an die ausgleichsberechtigte Person vereinbart werden.

II. Steuerrechtliche Behandlung

1. Allgemeines

Die ausgleichspflichtige Person kann Ausgleichsleistungen zur Vermeidung des Versorgungsausgleichs gemäß § 10 Absatz 1a Nummer 3 des Einkommensteuergesetzes (EStG) als Sonderausgaben abziehen. Die Abzugsmöglichkeit besteht seit dem Veranlagungszeitraum 2015. Die Abzugsmöglichkeit besteht unabhängig davon, ob die Ausgleichsleistung eine beamtenrechtliche, eine öffentlich-rechtliche, eine private oder eine betriebliche Altersvorsorge betrifft und unabhängig davon, ob eine steuerliche Förderung gewährt wurde. Die ausgleichsberechtigte Person muss die Ausgleichsleistung als sonstige Einkünfte nach § 22 Nummer 1a EStG versteuern (sogenanntes Korrespondenzprinzip).

  • 10 Absatz 1a Nummer 3 EStG ordnet alle Ausgleichsleistungen einheitlich dem Bereich des Sonderausgabenabzugs zu. Die frühere Rechtsprechung, die Ausgleichszahlungen zur Vermeidung einer Kürzung beamtenrechtlicher Versorgungsbezüge als Werbungskosten zum Abzug zuließ, ist damit unbeachtlich.

Der Sonderausgabenabzug setzt voraus, dass

  • die ausgleichsverpflichtete und die ausgleichsberechtigte Person unbeschränkt einkommensteuerpflichtig sind und
  • die Identifikationsnummer (IdNr.) der ausgleichsberechtigten Person in der Steuererklärung der ausgleichsverpflichteten Person angegeben wird.

2. Behandlung bei der ausgleichspflichtigen Person

Die ausgleichspflichtige Person kann Ausgleichsleistungen zur Vermeidung des Versorgungsausgleichs auf Antrag als Sonderausgaben abziehen (§ 10 Absatz 1a Nummer 3 EStG), soweit die ausgleichsberechtigte Person zustimmt. Die Verfahrensbeteiligten können damit genau bestimmen, in welchem Umfang ein Abzug und die damit einhergehende Besteuerung erfolgen soll.

Tipp: Eine steuerrechtliche Berücksichtigung des nicht von der Zustimmung umfassten Teils der Ausgleichsleistungen in einem vom Leistungsjahr abweichenden Veranlagungszeitraum ist nicht möglich.

Die Abzugsmöglichkeit für Ausgleichsleistungen zur Vermeidung des Versorgungsausgleichs umfasst sowohl Leistungen der ausgleichspflichtigen Person an die ausgleichsberechtigte Person als auch Zahlungen der ausgleichspflichtigen Person an den Versorgungsträger der ausgleichsberechtigten Person. Nicht umfasst werden Zahlungen der ausgleichspflichtigen Person an den eigenen Versorgungsträger zur Wiederauffüllung der eigenen Ansprüchen 

3. Behandlung bei der ausgleichsberechtigten Person

Die ausgleichsberechtigte Person muss die Ausgleichsleistungen zur Vermeidung des Versorgungsausgleichs korrespondierend zum Sonderausgabenabzug der ausgleichspflichtigen Person versteuern. Soweit also bei der ausgleichspflichtigen Person die Voraussetzungen für den Sonderausgabenabzug nach § 10 Absatz 1a Nummer 3 EStG vorliegen, sind die Ausgleichsleistungen bei der ausgleichsberechtigten Person gemäß § 22 Nummer 1a EStG als sonstige Einkünfte zu versteuern.

Tipp: Es kommt nicht darauf an, dass sich der Sonderausgabenabzug tatsächlich steuermindernd auswirkt.

III. Abgrenzung: Ausgleichszahlung zur Vermeidung einer späteren Versorgungskürzung (sog. „Wiederauffüllungsleistungen“)

Die ausgleichspflichtige Person kann jederzeit freiwillig Zahlungen vornehmen, um aufgrund eines durchgeführten Versorgungsausgleichs geminderte eigene Versorgungsanwartschaften wieder aufzufüllen. Beiträge in die gesetzlichen Rentenversicherungen, zur landwirtschaftlichen Alterskasse oder zu berufsständischen Versorgungseinrichtungen sowie zu zertifizierten Basisrentenverträgen können im Jahr der Zahlung als Sonderausgaben im Rahmen des Höchstbetrages berücksichtigt werden. Bei Arbeitnehmern können Zahlungen zur Auffüllung eines geminderten Versorgungsanspruchs im Jahr der Zahlung als vorweggenommene Werbungskosten berücksichtigt werden, da dies den Bezug höherer Versorgungsbezüge sichert.

C. Versorgungsausgleich

I. Gesetzlicher Versorgungsausgleich

1. Grundlagen

Dem Wertausgleich bei der Scheidung unterfallen alle Anrechte, es sei denn, die Ehegatten haben eine davon abweichende wirksame Vereinbarung über den Versorgungsausgleich getroffen oder die Anrechte sind noch nicht ausgleichsreif. Bei Geringfügigkeit soll ein Wertausgleich ausnahmsweise nicht stattfinden.

Tipp: Vorrangig ist stets die interne Teilung vorzunehmen. Die externe Teilung ist nachrangig und nur in den gesetzlich bestimmten Fällen möglich.

1.1 Interne Teilung

Nach dem Grundsatz der systeminternen Teilhabe wird jedes Versorgungsanrecht innerhalb des Versorgungssystems für sich betrachtet und geteilt. Das Familiengericht überträgt für die ausgleichsberechtigte Person zulasten des Anrechts der ausgleichspflichtigen Person ein Anrecht in Höhe des Ausgleichswerts bei demjenigen Versorgungsträger, bei dem das Anrecht der ausgleichspflichtigen Person besteht. Die ausgleichsberechtigte Person erhält dadurch ein eigenes Anrecht gegenüber dem Versorgungsträger. Anrechte gleicher Art von ausgleichsberechtigter und ausgleichspflichtiger Person – z. B. wenn beide Ehegatten Anrechte in der gesetzlichen Rentenversicherung haben – werden zunächst miteinander verrechnet und nur der verbleibende Wertunterschied wird auf die ausgleichsberechtigte Person übertragen.

1.2 Externe Teilung

Bei der externen Teilung begründet das Familiengericht zulasten des Anrechts der ausgleichspflichtigen Person für die ausgleichsberechtigte Person bei einem anderen Versorgungsträger ein eigenes Anrecht.

2. Steuerrechtliche Behandlung

2.1 Übertragung von Anrechten im Wege der internen Teilung

Zur Durchführung des Versorgungsausgleichs werden Versorgungsanrechte mit allen Rechten und Pflichten von einer ausgleichspflichtigen auf eine ausgleichsberechtigte Person übertragen.

Tipp: Für den Regelfall der internen Teilung ist die Übertragung der Anrechte steuerfrei (§ 3 Nummer 55a Satz 1 EStG). Die Besteuerung der Leistungen aus den Anrechten erfolgt sowohl für die ausgleichspflichtige als auch für die ausgleichberechtigte Person erst während der Auszahlungsphase, sofern kein früherer Besteuerungstatbestand ausgelöst wurde, z. B. durch eine vorzeitige Kündigung. Die konkrete Besteuerung der jeder Person zugeflossenen Leistungen richtet sich nach dem jeweiligen individuellen Sachverhalt.

Die ausgleichsberechtigte Person bezieht die Leistungen aus eigenem Anrecht. Bei ihr gehören die Leistungen zu den Einkünften, zu denen sie bei der ausgleichspflichtigen Person gehören würden, wenn die interne Teilung nicht stattgefunden hätte. Anders als beim schuldrechtlichen Versorgungsausgleich können die Leistungen bei der ausgleichspflichtigen Person nicht als Sonderausgaben abgezogen werden. Die der ausgleichspflichtigen Person zuzurechnenden Leistungen sind bereits durch die Teilung der Versorgungsanwartschaften gemindert. Dies gilt sowohl für den Fall der internen als auch der externen Teilung.

2.2 Übertragung von Anrechten im Wege der externen Teilung

Die externe Teilung ist mit einem Wechsel des Versorgungsträgers verbunden.

Tipp: Für den Regelfall der externen Teilung ist die Übertragung der Anrechte an den neuen Versorgungsträger steuerfrei (§ 3 Nummer 55b Satz 1 EStG). Die Besteuerung der Leistungen aus den Anrechten erfolgt sowohl für die ausgleichspflichtige als auch für die ausgleichberechtigte Person erst während der Auszahlungsphase, sofern kein früherer Besteuerungstatbestand ausgelöst wurde, z. B. durch eine vorzeitige Kündigung.

II. Schuldrechtliche Ausgleichszahlungen

1. Grundlagen

Ehegatten können vereinbaren, sich ganz oder teilweise Ausgleichsansprüche nach der Scheidung vorzubehalten (Ehevertrag oder gerichtliche Vereinbarung). Dies hat zur Folge, dass der Versorgungsausgleich insoweit durch (spätere) schuldrechtliche Ausgleichszahlungen  erfolgt. Die ausgleichsberechtige Person erlangt durch die schuldrechtlichen Ausgleichszahlungen keine eigenen Anrechte gegenüber dem Versorgungsträger. Der Anspruch erlischt mit dem Tod der ausgleichspflichtigen Person. Die ausgleichsberechtigte Person kann aber gegebenenfalls vom Versorgungsträger eine Teilhabe an der Hinterbliebenenversorgung verlangen.

2. Steuerrechtliche Behandlung

Schuldrechtliche Ausgleichszahlungen von der ausgleichspflichtigen an die ausgleichsberechtigte Person führen im Ergebnis zu einem Transfer steuerbarer und steuerpflichtiger Einnahmen

2.1 Behandlung bei der ausgleichspflichtigen Person

Die Leistungen beim schuldrechtlichen Ausgleich fließen in einem ersten Schritt in voller Höhe der ausgleichspflichtigen Person zu, da nur für diese Person gegenüber dem Versorgungsträger ein eigenes Anrecht auf Versorgung besteht. Die Leistungen unterliegen bei der ausgleichspflichtigen Person der Besteuerung.

In einem zweiten Schritt leistet die ausgleichspflichtige Person die Ausgleichszahlung an die ausgleichsberechtigte Person. Die ausgleichspflichtige Person kann für diese Zahlung den Sonderausgabenabzug in Anspruch nehmen (§ 10 Absatz 1a Nummer 4 EStG).

Tipp: Der Sonderausgabenabzug scheidet aus, soweit die der Ausgleichszahlungen zugrunde liegenden Einnahmen nicht der Besteuerung unterliegen.

2.2 Behandlung bei der ausgleichsberechtigten Person

Die ausgleichsberechtigte Person muss die schuldrechtlichen Ausgleichszahlungen korrespondierend zum Sonderausgabenabzug der ausgleichspflichtigen Person als sonstige Einkünfte versteuern (§ 22 Nummer 1a EStG).

Tipp: Es kommt nicht darauf an, dass sich der Sonderausgabenabzug tatsächlich steuermindernd auswirkt.